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Das Paradies
»Lange werde ich nicht mehr hier sein.«
Sebastian drehte sich um und sah seinen Partner spöttisch an. Bernd fing immer wieder davon an und merkte überhaupt nicht, wie sehr er allen damit auf die Nerven ging.
»Natürlich. Vermutlich gewinnst du gleich heute die Lotterie und machst dich auf den Weg ins Paradies.«
»Genau das werde ich«, sagte Bernd. »Und wenn es so weit ist, werde ich mich nicht verabschieden. Ich werde einfach gehen, das schwöre ich dir. Während ihr noch hier in diesem Loch schuftet, sehe ich die Sonne und lasse mich verwöhnen. Überhaupt: Wenn du das alles so skeptisch siehst – wieso spielst du denn in der Lotterie?«
»Müssen wir diese Diskussion immer wieder führen?«, fragte Sebastian vorwurfsvoll. »Ich bin zwar sicher, dass sie uns das Einkommen nur aus der Tasche ziehen, aber vielleicht gewinne ich dabei etwas Geld, damit ich mir wenigstens eine eigene Zelle für mich alleine leisten kann. Diesen Hauptgewinn will ich doch gar nicht. Gut, wenn es mich träfe, würde ich mich nicht dagegen wehren, aber in erster Linie will ich ein kleines bisschen Privatsphäre kaufen können.«
»Siehst du Seb, darin unterscheiden wir uns. Bei mir heißt es ‚ganz oder gar nicht‘. Ich will hier weg. Wenn ich allein diesen Scheißjob betrachte: Kanalreinigung in der vierzigsten Sub-Ebene. Weißt du, wann ich zum letzten Mal das Tageslicht gesehen habe? Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern. Und mach dir nichts vor: Ist man einmal hier unten gelandet, ist das auch das Ende der Karriere.«
Sebastian lachte humorlos auf.
»Von welcher Karriere redest du denn? Von der Normschule direkt in die Sub-Ebenen? Das ist keine Karriere. Sieh es doch von der positiven Seite. Wir haben zumindest Arbeit. Okay, wir stehen zehn Stunden am Tag mit unseren Stiefeln im Brackwasser und sehen nur das, was uns unsere Helmlampen zeigen, aber wir haben ein Einkommen. Wir haben eine Teilzeitzelle und können uns die Standardrationen leisten.«